und Naturwissenschaften
Chemie-Schullabor Molecules & SchoolsSchullabor startet nach Lockdown mit neuem Experiment
3. November 2021, von MIN-Dekanat
21 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 13 der Waldorfschule Wandsbek haben im Chemie-Schullabor Molecules & Schools der Universität Hamburg Fleischproben genetisch analysiert. Damit waren sie die Ersten, die nach dem Lockdown zurück in dem Labor waren und das neue Modul „Lebensmittelanalytik“ durchgeführt haben.
Im Labor liegen Erfolg und Misserfolg oft nah bei einander - manchmal trennt die beiden nur ein Mikroliter. Oder ein kurzes Zittern der Hand. Das haben auch die 21 Schülerinnen und Schüler erfahren, die im Chemie-Schullabor Molecules & Schools der Universität Hamburg Proben von Rind, Reh, Huhn und Schwein analysiert haben.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beugen sich ganz dicht über ein rechteckiges Gel, in dessen winzige Taschen sie zehn Mikroliter Flüssigkeit pipettieren sollen. Treffen sie die Taschen nicht oder stechen in das Gel, kann das Ergebnis verfälscht werden und die Arbeit des Vormittags wäre ruiniert. Die Aufgabe allein ist für eine ungeübte Hand kein Leichtes. Noch schwieriger wird es, wenn die Klassenkameradinnen und -kameraden gespannt dabei zuschauen. Hochkonzentriert führen die jungen Forschenden die dünne Spitze der Pipette zum Gel.
Das Beladen des Gels mit den Proben ist praktisch der letzte Schritt des Versuchs im Modul Lebensmittelanalytik des Schullabors, das vom Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“ der Universität finanziert wird. „Wir sind sehr gespannt, ob alles nach Plan läuft. Auch für uns ist es das erste Mal, dass wir den Versuch Lebensmittelanalytik mit einer so großen Klasse durchführen“, sagt Dr. Skadi Kull, die das Schullabor koordiniert. „Den Versuch haben wir bereits vor 20 Monaten entwickelt und freuen uns, dass wir ihn nun endlich nach der langen Zeit der Lockdowns und Beschränkungen mit einer Klasse ausprobieren können.“
DNA der Fleischproben isolieren
Ziel des Versuchs ist es, Fleisch von Reh, Huhn, Schwein und Rind sowie eine unbekannte Fleischprobe zu analysieren. Die unbekannte Probe, die einer der vier verwendeten Fleischsorten entspricht, kann im Anschluss durch den Vergleich mit den bekannten Fleischsorten identifiziert werden. Für die Analyse werden die Polymerasekettenreaktion (polymerase chan reaction, PCR) sowie die Gelelektrophorese verwendet. PCR wird aktuell auch bei den COVID-Tests millionenfach angewendet und dient dazu, DNA zu vervielfältigen.
„Der Versuch passt perfekt in unseren Lehrplan, wir haben PCR und Gelelektrophorese gerade im Unterricht durchgenommen“, sagt die Lehrerin der Jahrgangsstufe 13 mit dem Profilschwerpunkt Biologie. „Ich hatte schon Sorge, dass wir keine Möglichkeit mehr bekommen, die Themen auch auszuprobieren. Da haben die Schülerinnen und Schüler zwölf Jahre lang Hands-on-Unterricht der Waldorfschule gehabt und im ihrem letzten Schuljahr wäre es fast gescheitert. Daher freue ich mich sehr, dass wir jetzt den Versuch durchführen können.“
Benötigt wird dafür die DNA der Fleischproben, die sich in den tierischen Zellen befindet. Diese ist von Zellmembranen umgeben, die zunächst mithilfe eines Enzyms aufgelöst werden. Das dauert lange, da die Proben zunächst für eine Stunde und später für weitere zehn Minuten in den Inkubator müssen. Für chemische Forschung braucht man eben nicht nur eine ruhige Hand, sondern auch Geduld. Auch das erfahren die jungen Forschenden während ihres Besuchs im Chemie-Schullabor.
Anschließend wird die DNA von den anderen Bestandteilen wie Proteinen und Fetten isoliert. „Wir müssen noch 500 Mikroliter Waschpuffer zur Probe dazugeben“, sagt eine Schülerin. „Das haben wir doch schon gemacht“, entgegnet ihr Gruppenpartner. „Das war Waschpuffer AW I, wir brauchen jetzt AW II“, sagt sie. Waschpuffer I und Waschpuffer II, Säule und Ethanol – und immer wieder müssen die Proben zentrifugiert oder gevortext, also in ein kleines Schüttelgerät, gesteckt werden. Bei den vielen Schritten ist es schwer, den Überblick zu halten. Angeleitet werden die Teams daher von den Tutorinnen und Tutoren Maren Hinz, Tim Wagner und Nils Dageförde. Die drei sind Studierende im Fachbereich Chemie sowie Physik und geben den Zweierteams immer wieder Hilfestellung und beantworten ihre Fragen.
PCR und Gelelektrolyse geben Aufschluss
Anschließend können die Proben in den Thermocycler gestellt werden, in welchem die PCR abläuft. Während die Schülerinnen und Schüler in die Mittagspause gehen, verrichtet das kleine Gerät seine Arbeit: Bei der PCR wird der Doppelstrang der DNA zunächst in zwei Einzelstränge aufgetrennt. Anschließend kommt es zur Anlagerung von kurzen DNA-Fragmenten an die Stränge. Zuletzt wird die DNA wieder zum Doppelstrang synthetisiert. Diese Schritte werden in der PCR wiederholt, so dass sich die DNA vermehrt.
„Jetzt hat der DNA-Strang bei allen Fleischsorten die gleiche Länge. Wir verwenden nun ein sogenanntes Restriktionsenzym, das die DNA an der bestimmten Basensequenz AATT schneidet“, erklärt Maren Hinz den letzten Schritt. „Die Sequenz liegt bei allen Fleischsorten an unterschiedlichen Stellen, so dass sich die Fragmente in ihrer Länge unterscheiden und im Agarosegel bei der Elektrophorese, also in einem elektrischen Feld, dann unterschiedlich weit wandern. So können wir sie voneinander unterscheiden.“
Insgesamt drei Gele haben die Gruppen mit ihren Proben plus Referenzproben beladen. Ob alle eine ruhige Hand hatten, werden sie in einer Stunde erfahren – so lange dauert es, bis das finale Ergebnis in dem Gel zu sehen ist und die unbekannte Fleischsorte mit den bekannten verglichen werden kann.
In der Zwischenzeit werden Fragen zu den Versuchen und Beispiele, wie das Ergebnis am Ende aussehen kann, mit der Klasse durchgesprochen. Bis es soweit ist: Das Gel wird unter Blaulicht gehalten, damit die mit Farbstoffen gemischte DNA leuchtet. Tatsächlich sind die Banden gewandert. Einige zeigen zum Teil charakteristische Muster, allerdings lassen sich die unbekannten Sorten, nämlich Hühner- und Schweinefleisch, nicht bei allen identifizieren. Vielleicht hatten nicht alle eine ruhige Hand oder haben korrekt pipettiert? Das ist nicht ungewöhnlich, beim ersten Versuch funktioniert meist nicht alles perfekt. Und auch im Labor gilt: Übung macht bekanntlich die Meisterin oder den Meister.
Das Chemie-Schullabor der Universität Hamburg
Das Schullabor Molecules & Schools bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit naturwissenschaftliche Experimente aus den Bereichen Chemie, Nanowissenschaften und Life Sciences in universitärer Atmosphäre durchzuführen. Das Angebot richtet sich hauptsächlich an späte Mittelstufen- und Oberstufenklassen sowie Kursverbände von Stadtteilschulen und Gymnasien. Die Teilnahme an den Modulen ist kostenfrei. Im Jahr 2012 hat die Joachim Herz Stiftung mit dem Projekt „Brücken in die Wissenschaften“ den Anschub für das heutige Chemie-Schullabor Molecules & Schools gefördert, das derzeit im Rahmen des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“ fortgeführt wird.