und Naturwissenschaften
Internationale Studie mit 47 Primatenarten auf drei KontinentenKlimawandel und Entwaldung treiben baumbewohnende Primaten auf den Boden
11. Oktober 2022, von MIN-Dekanat

Foto: Eppley
Eine groß angelegte Studie über 47 Affen- und Lemurenarten hat ergeben, dass Klimawandel und Entwaldung diese baumbewohnenden Tiere auf den Boden treiben, wo sie aufgrund des Mangels an bevorzugter Nahrung und Unterschlupf stärker gefährdet sind und möglicherweise mehr negative Interaktionen mit Menschen sowie Haustieren erleben.
Die Studie, die in der Fachzeitschrift The Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde, wurde von Timothy Eppley, von der San Diego Zoo Wildlife Alliance (SDZWA), geleitet und untersuchte mehr als 150.000 Stunden Beobachtungsdaten zu 15 Lemuren- und 32 Affenarten an 68 Standorten in Amerika und Madagaskar. Die Studie war eine weltweite Zusammenarbeit, an der 118 Co-Autoren aus 124 Institutionen beteiligt waren, darunter Prof. Dr. Jörg Ganzhorn vom Fachbereich Biologie der Universität Hamburg.
Die Studie ergab, dass Primaten, die weniger Früchte verzehren und in großen sozialen Gruppen leben, bei verschlechterten Umweltbedingungen mit größerer Wahrscheinlichkeit auf den Boden zurückkehren. Die Forschenden vermuten, dass diese Merkmale eine mögliche "Voranpassung" an die bodennahe Lebensweise darstellen. Die Studie legt auch nahe, dass Arten, die sich allgemeiner ernähren und in größeren Gruppen leben, angesichts des sich verschärfenden Klimawandels und des Rückgangs des Lebensraums auf Bäumen leichter an eine terrestrische Lebensweise anpassen können.
"Es ist möglich, dass ein längerer Aufenthalt auf dem Boden einige Primaten vor den Auswirkungen der Waldzerstörung und des Klimawandels schützt. Für weniger anpassungsfähige Arten sind jedoch schnelle und wirksame Schutzstrategien erforderlich, um ihr Überleben zu sichern", so Eppley.
Die Studie zeigte auch, dass Primatenpopulationen, die sich in der Nähe menschlicher Infrastrukturen befinden, mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf den Boden zurückkehren. Dr. Luca Santini von der Universität Sapienza in Rom, einer der beiden Hauptautoren der Studie, sagt dazu: "Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Anwesenheit des Menschen, die oft eine Bedrohung für Primaten darstellt, die natürliche Anpassungsfähigkeit der Arten an den globalen Wandel beeinträchtigt."
Der Übergang von einer baumbewohnenden zu einer terrestrischen Lebensweise hat in der Evolution der Primaten schon früher stattgefunden, aber die heutigen raschen Veränderungen stellen eine ernsthafte Bedrohung dar. "Obwohl ähnliche ökologische Bedingungen und Artenmerkmale frühere evolutionäre Umstellungen von baumbewohnenden Primaten, einschließlich Homininen, auf eine bodengebundene Lebensweise beeinflusst haben könnten, ist es klar, dass das derzeitige Tempo der Abholzung und des Klimawandels die meisten Primatenarten in Gefahr bringt", sagte Giuseppe Donati, Dozent der Oxford Brookes University.
Text: SDZWA/red.
Originalpublikation
Factors influencing terrestriality in primates of the Americas and Madagascar, PNAS, 119 (42)
https://doi.org/10.1073/pnas.2121105119