und Naturwissenschaften
JuniorAkademie Schleswig-Holstein und Hamburg„Wir sind Lernbegleiter“
28. September 2021, von MIN-Dekanat
Jedes Jahr treffen sich knapp 100 besonders leistungsfähige und interessierte Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I in St. Peter-Ording und beschäftigen sich mehrere Tage lang intensiv mit unterschiedlichen Kursthemen. Die Doktoranden Torben Sobottke und Max Hachmann vom Fachbereich Physik sind seit mehreren Jahren als Kursleiter bei der JuniorAkademie aktiv und berichten von ihren Erlebnissen.
Herr Sobottke, in diesem Jahr haben Herr Hachmann und Sie bei der JuniorAkademie einen Kurs zur Relativitätstheorie angeboten. Womit haben sich die Schülerinnen und Schüler dort im Detail beschäftigt?
Sobottke: Es ist gar nicht so einfach, das in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Wir haben ein ganz offenes Kursformat, bei dem die Jugendlichen selbst überlegen und entscheiden können, womit sie sich beschäftigen möchten. Nur das Oberthema Relativitätstheorie war in diesem Jahr von uns vorgegeben. Die einzelnen Projektgruppen haben dann ganz unterschiedliche Themen bearbeitet, zum Beispiel Längenkontraktionen, das Zwillingsparadoxon, Schwarze Löcher oder die Grundannahmen der Relativitätstheorie.
Wie haben die Schülerinnen und Schüler diese Themen erarbeitet?
Sobottke: Sie finden sich üblicherweise in Zweiergruppen zusammen, weil wir es wichtig finden, dass man gemeinsam arbeitet. Physik hat sehr viel mit Teamwork zu tun und wir wollen, dass die Jugendlichen sich ein Gebiet, das für sie beide komplett unbekannt ist, zusammen erschließen.
Hachmann: Uns ist es dabei wichtig, dass die Teams untereinander am Lernerfolg teilhaben. Wenn wir also merken, dass bei einer Gruppe ein Problem auftaucht, das eine andere Kleingruppe gerade schon gelöst hat, raten wir ihnen zum Beispiel, sich mal zusammenzusetzen. Das ist ja auch ein tolles Gefühl für die Jugendlichen, wenn sie sich untereinander weiterhelfen können.
Sie sagten es schon: Die Themen sind für die Schülerinnen und Schüler unbekannt. Bekommt man da in so kurzer Zeit überhaupt einen Zugang?
Sobottke: Man muss sich immer vor Augen führen, dass die Jugendlichen in der achten bis zehnten Klasse sind. Sie haben zum Beispiel mit der Relativitätstheorie bisher nichts zu tun gehabt. Vor diesem Hintergrund ist es besonders beeindruckend, wie sie sich darauf einlassen und mit den richtigen Denkanstößen die entscheidenden Gedankengänge eigenständig entwickeln können.
Was ist dabei Ihre Aufgabe als Betreuer des Kurses?
Sobottke: Ich erinnere mich gerne an einen ehemaligen Teilnehmer, der mir das Feedback gab: „Ich fand es schön, dass ich mal nicht alles auf Anhieb verstanden habe.“ Es fasst ganz gut zusammen, was wir machen. Wir sind vor allem Lernbegleiter. Und die Schülerinnen und Schüler lernen quasi, wie man sich neue Themen erarbeitet. Wir lassen sie loslaufen und selbst Erfahrungen machen – unsere Unterstützung wird da nur hin und wieder gebraucht.
Die JuniorAkademien sind ja ein außerschulisches Programm zur Förderung besonders leistungsfähiger und interessierter Schülerinnen und Schüler. Sind die Teilnehmenden Ihres Kurses also besonders gut im Fach Physik?
Hachmann: Es geht explizit nicht darum, dass nur Schülerinnen und Schüler mit besonders guten Noten teilnehmen sollen. Es geht darum, dass vielseitig interessierte Menschen angesprochen werden. Oder auch Jugendliche, denen zugetraut wird, dass sie leistungsfähig sind, wenn man sie denn in die richtige Umgebung steckt. Wir haben auch Jugendliche dabei, die im Schulsystem nicht unbedingt die Einserkandidaten sind. Das eine ist Hochleistung, das andere Hochbegabung – das ist nicht das Gleiche. Nichtsdestotrotz haben wir es hier natürlich mit besonders cleveren Jugendlichen zu tun. Das liegt auch daran, dass jede Schule nur ein bis zwei Schülerinnen und Schüler für die Teilnahme an der Akademie nominieren darf.
Sie sind bereits seit mehreren Jahren als Betreuer dabei. Wie sind Sie dazu gekommen?
Sobottke: Wenn man die JuniorAkademie einmal erlebt hat, dann neigt man dazu, Wiederholungstäter zu werden. Ich war 2007 selbst Teilnehmer der Akademie, bin nach meinem Abitur drei Jahre Jugendbetreuer gewesen und seit 2014 Kursleiter für physikalische Themen.
Hachmann: Ich bin über die Teilnahme meiner Schwester 2014 auf die Akademie aufmerksam geworden. Auf der Abschlusspräsentation lief ich dann meinem Kommilitonen hier in die Arme, und so hat es sich ergeben, dass Torben und ich seit 2017 im Zweiergespann als Kursleiter für Physik vor Ort sind.
Was reizt Sie persönlich daran, Ihr Wissen in der Akademie weiterzugeben?
Sobottke: Das Gesamtkonzept ist wirklich schön. Das geht los beim Team, bei dem man das Gefühl hat, in eine Sommerfamilie zu kommen. Das Tolle an der Arbeit mit den Jugendlichen ist, dass man Menschen begegnet, die wirklich wissbegierig sind. Sie haben diesen Drive, da muss man gar nicht viel machen, sondern ihnen einen Raum bieten, sich selbst zu entfalten.
Hachmann: Die Akademie bietet einfach ein sehr tolerantes Umfeld, wo Menschen, die sonst vielleicht auch immer mal wieder Ausgrenzung erleben, merken, dass sie so sein dürfen, wie sie sind. Und dass es okay ist, anders zu sein. Es gibt einen tollen Teamgeist und ein tolles Miteinander. Wenn die Schülerinnen und Schüler am Ende nach Hause fahren und ein ‚Ich bin viele, ich bin nicht alleine‘-Gefühl haben, dann ist das viel mehr wert, als wir ihnen über die Relativitätstheorie beibringen können.
Wissen Sie, ob sich die Schülerinnen und Schüler nach der Akademie weiterhin mit Physik beschäftigen?
Hachmann: Einige aus unserem Kurs haben sich für das Juniorstudium Physik an der Uni Hamburg entschieden. Das ist schon toll, wenn man die Jugendlichen bestärken kann, sich in den Hörsaal zu setzen.
Sobottke: Es ist immer wieder schön, wenn einem Schülerinnen und Schüler aus der Akademie später in der Uni wieder über den Weg laufen. Im vergangenen Semester habe ich das Anfängerpraktikum Physik bei uns betreut und kannte bereits drei Studierende von der JuniorAkademie. Dann weiß man zwar nicht, ob sie das nicht sowieso gemacht hätten, aber es zeigt, dass der Kurs die Faszination für die Physik nicht verringert hat.
JuniorAkademien
Die JuniorAkademien in Schleswig-Holstein sind ein außerschulisches Förderprogramm für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen sechs bis sieben (JuniorAkademie in Bad Segeberg) und acht bis zehn (JuniorAkademie in St. Peter-Ording). Sie sollen die Teilnehmenden intellektuell herausfordern und ihnen die Gelegenheit geben, Wissen zu erwerben und zu vertiefen, Vorlieben für neue Spezialgebiete zu entdecken sowie unterschiedliche Lern- und Arbeitsmethoden kennen zu lernen. Die Akademien werden von der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind (Regionalverein Schleswig-Holstein) e.V. in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und der Behörde für Schule und Berufsbildung der Stadt Hamburg organisiert.