und Naturwissenschaften
Vom Hörsaal auf die Seifenbox
13. Oktober 2020, von MIN-Dekanat
Foto: Eric van Elert
„Soapbox Science“ heißt die Veranstaltung, die vor kurzer Zeit in Berlin stattfand. Bei diesem Format berichten Wissenschaftlerinnen, auf Kisten stehend, über ihre Forschung auf öffentlichen Plätzen. In diesem Jahr war Juniorprofessorin Mathilde Cordellier vom Fachbereich Biologie mit dabei.
Für gewöhnlich sind Bahnhofsvorplätze eine Art Sammelplatz und Transitbereich: Wartende verbringen hier die Zeit mit Kaffeebechern und dem Blick auf dem Handy. Andere eilen zum Zug oder kommen gerade an und suchen den nächsten Weg in der Stadt. Dass hier jedoch auch verweilt werden kann, um Vorträgen über aktuelle Forschungsprojekte zu lauschen, ist ungewöhnlich. Am Samstag den 19. September hatten die Reisenden auf dem Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof aber genau dazu die Möglichkeit: Insgesamt zwölf Wissenschaftlerinnen aus ganz Deutschland präsentierten hier auf Kisten stehend ihre Forschung.
Juniorprofessorin Mathilde Cordellier, Leiterin der Arbeitsgruppe Populationsgenomik vom Fachbereich Biologie war eine davon. Sie wurde vergangenes Jahr durch die Teilnahme Ihrer Kollegin, Juniorprofessorin Elisa Schaum, darauf aufmerksam und bewarb sich im Januar auf einen Platz, erklärt sie. „Ich will die wichtige Rolle von Wissenschaftlerinnen dem breiteren Publikum zeigen und die Wahrnehmung dieses Berufs ändern.“
In dem Vortrag zum Thema „Wie helfen uns Seen-Zombies dabei, die Evolution zu verstehen?“, ging es um ihre Forschung zu Wasserflöhen. Diese in Seen lebenden winzigen Krebstiere legen Dauereier, die auch nach Jahrzehnten noch schlüpfen können. „Streng genommen sind die Tiere also nicht, wie im Titel angedeutet, Zombies, sondern liegen eher wie Dornröschen in einem Dauerschlaf“, sagt Cordellier. Die Wissenschaftlerin will herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen Umwelteinflüssen und der Zusammensetzung der Wasserflohpopulationen in Seen gibt und wie sich diese Lebensgemeinschaften ändern. Dazu untersucht Cordellier die gut erhaltene DNA in den Dauereiern. So kann sie die Wasserflohart feststellen und herausfinden, ob es sich um einen Hybriden - also das Ergebnis der Fortpflanzung zwischen zwei verschiedenen Arten - handelt. „Manchmal ist Hybridisierung etwas Gutes, zum Beispiel, wenn sich durch Eutrophierung die Umweltbedingungen des Gewässers ändern“, sagt Cordellier. „Die Hybride sind teilweise besser angepasst und können dann auch in solchen Gewässern überleben.“
Eine Stunde stand sie auf eine Kiste am Samstag und hielt mehrere Male einen zehn minütigen Vortrag, der ganz ohne aufwendige Präsentationen und Grafiken auskam. Allein ein paar Objekte hat die Wissenschaftlerin mit nach Berlin genommen: Papierwasserflöhe, ein Model eines Sedimentkerns, und ein überdimensioniertes Ei aus Filz. Da die Veranstaltung draußen stattfand und auf genügend Abstand geachtet wurde, konnte sie trotz der Pandemie stattfinden. Rund 20 Personen lauschten der Wissenschaftlerin und stellten Fragen.
Ins Leben gerufen wurde Soapbox Science im Jahr 2011 in Großbritannien und soll gerade Wissenschaftlerinnen sichtbarer machen sowie öffentliche Orte in Schauplätze für gemeinsames Lernen und wissenschaftliche Diskussionen verwandeln. Nachfragen, Dazwischenrufen, ins Gespräch kommen - alles ist bei dem Format erlaubt und gewünscht.