und Naturwissenschaften
Feldstationen bieten Artenschutz in den Tropen
11. März 2024, von MIN-Dekanat
Foto: UHH/Ganzhorn
Eine Studie mit Beteiligung von Forschenden der Universität Hamburg an 157 Feldstationen in 56 Ländern zeigt, dass diese nicht nur maßgeblich zum Erhalt der Biodiversität beitragen, indem sie die Abholzungsraten und Jagdaktivitäten reduzieren, sondern sie spielen auch eine entscheidende Rolle als Arbeitgeber und Ausbildungsstätte. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in der Fachzeitschrift „Conservation Letters“ veröffentlicht.
Feldstationen sind kleine Forschungseinrichtungen in der freien Natur, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglichen, Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten und zu erforschen. In der jetzt veröffentlichten Studie wurden weltweit 157 Feldstationen zu den Auswirkungen dieser Stationen auf die Umgebung und Natur befragt. 80 Prozent der Befragten Betreiberinnen und Betreiber berichteten über eine gestiegene Qualität der Lebensräume und geringe Jagdaktivitäten im Umkreis der Stationen, knapp 70 Prozent zudem über häufigere Kontrollen von Behörden in Bezug auf Wilderei.
„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Feldstationen die Lebensraumqualität in den umliegenden Gebieten durch die Verringerung der Abholzung verbessern, die Jagd auf Wildtiere reduzieren sowie die Durchsetzung von Gesetzen zur Nutzung von Wildtieren und zur Gewinnung von Ressourcen erhöhen“, sagt Prof. Dr. Jörg Ganzhorn, Professor für Tierökologie und Naturschutz am Fachbereich Biologie der Universität Hamburg.
Satellitenbilder dokumentieren, dass der Verlust an Waldfläche in einem Umkreis von fünf Kilometern rund um die Feldstationen erheblich geringer ist als in anderen Waldgebieten. Zugleich zeigte sich in der Studie, dass die Betriebskosten pro Quadratmeter Fläche an einer Feldstation deutlich geringer sind als die Kosten, die in Schutzgebieten entstehen. Darüber hinaus stellen 93 Prozent der Feldstationen einheimische Arbeiterinnen und Arbeiter ein und unterstützen so die lokale Wirtschaft, während sie gleichzeitig bedeutende wissenschaftliche Ergebnisse liefern, die in die Naturschutzpolitik einfließen.
Jedoch gilt auch für die Feldstationen die COVID-19-Pandemie als einschneidendes Ereignis. Währenddessen wurde die Finanzierung von Feldforschungsstationen weltweit drastisch gekürzt, die Hälfte der Stationen gaben an, dass sie aktuell weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben als vor der Pandemie, bei nur neun Prozent sind die finanziellen Mittel gestiegen.
“Eine grundlegende Herausforderung besteht darin, dass Regierungen und andere Finanzierungsinstitutionen die tatsächliche Rentabilität von Investitionen in den Naturschutz nicht berücksichtigen und die entscheidende wirtschaftliche Rolle der Ökosystemleistungen, die durch diese Feldstationen geschützt werden, nicht erkennen“, sagt Dr. Timothy Eppley, ehemaliger Doktorand der Universität Hamburg und derzeit Chef der Organisation „Wildlife Madagascar“, der die Studie geleitet hat. „Unsere Forschung unterstreicht die dringende Notwendigkeit, Feldforschungsstationen stärker zu unterstützen, damit sie ihre unverzichtbare Arbeit fortsetzen können. Wenn die Feldforschungsstationen nicht in die internationale Politik einbezogen werden, die sich mit der globalen Krise der biologischen Vielfalt befasst, ist das eine große verpasste Chance.“
Die Universität Hamburg hat 25 Jahre lang Feldstationen auf Madagaskar für Forschungsvorhaben und Abschlussarbeiten gefördert - einem der am stärksten durch Waldzerstörung leidenden Länder der Erde. „Im Jahr 2017 betrug die durchschnittliche Fläche der Schutzgebiete noch 160 bis 320 Quadratkilometer“, sagt Ganzhorn. „Wenn man die derzeitigen Entwaldungsraten für die nächsten 30 Jahre extrapoliert, werden im Jahr 2050 die Mehrzahl der Schutzgebiete auf Madagaskar nur noch etwa 100 Quadratkilometer groß sein. Das entspricht etwa der Fläche, die durch Forschungsaktivitäten um Feldstationen abgedeckt wird. So klein diese Flächen auch sind, bieten sie doch Überlebenschancen für viele Arten, hier können auch künftig Forschungsstationen einen überproportionalen Beitrag zum Schutz tropischer Biodiversität leisten.“
Originalpublikationen
Link zum Artikel in Conservation Letters:
Eppley TM, Reuter KE, Sefczek TM, Tinsman J, Santini L, Hoeks S, Andriantsaralaza S, Shanee S, Fiore AD, Setchell JM, Strier KB, Abanyam PA, Mutalib AHA, Abwe E, Ahmed T, Ancrenaz M, Andriantsimanarilafy RR, Ang A, Aureli F, [...] Mittermeier RA (2024) Tropical field stationsyield high conservation return on investment. Conservation Letters, e13007.
https://doi.org/10.1111/conl.13007
Link zum Artikel zur Waldentwicklung auf Madagaskar:
Rafanoharana SC, Andrianambinina FOD, Rasamuel HA, Waeber PO, Wilmé L, Ganzhorn JU (2023) Projecting forest cover in Madagascar’s protected areas to 2050 and its implications for lemur conservation. Oryx. Published online 2023:1-9.
https://doi.org/10.1017/S0030605323001175