und Naturwissenschaften
FeatureCloud: Datenschutzfreundliches maschinelles Lernen im GesundheitswesenNeue Plattform bringt Medizin und Big Data zusammen
25. Juli 2023, von MIN-Dekanat
Foto: FeatureCloud
Ein internationales Team unter Leitung von Prof. Dr. Jan Baumbach von der Universität Hamburg hat eine Plattform für künstliche Intelligenz (KI) mit dem Namen „FeatureCloud“ entwickelt. Diese ermöglicht dank einer föderierten Infrastruktur, maschinelle Lernmodelle und KIs zu erstellen, ohne Datenschutz-sensible Rohdaten zwischen Institutionen teilen zu müssen. Externen Entwicklerinnen und Entwicklern bietet die Plattform umfangreiche Vorlagen und Dokumentationen, um eigene Apps zum föderierten KI-Training zu entwerfen und dort zu veröffentlichen. Im FeatureCloud App Store existieren bereits über 60 solcher Apps für verschiedene vor allem biomedizinische Anwendungen, die kostenlos genutzt werden können.
KI-Systeme und Methoden des maschinellen Lernens bieten entscheidende Vorteile in der biomedizinischen Forschung, da sie in der Lage sind, riesige Mengen von Daten effizient zu untersuchen und auszuwerten. So können KI-Algorithmen beispielsweise Brustkrebs-Typen erkennen und entsprechende Behandlungsvorschläge unterbreiten (O. Zolotareva et al., Genome Biol 22, 338 [2021]) oder Risiko-Mutationen für Krankheiten erkennen (R. Nasirigerdeh et al., Genome Biol 23, 32 [2022]), indem sie komplexe Daten aus verschiedenen Quellen gleichzeitig verarbeiten.
Die Entwicklung dieser KI-Algorithmen ist allerdings von der Menge und Qualität der verfügbaren Daten abhängig und oft müssen Daten aus verschiedenen Quellen analysiert werden, was problematisch ist, wenn der Datenschutz von sensiblen Patientendaten gewahrt werden muss. Dieses Dilemma löst FeatureCloud, indem sie eine Plattform bietet, auf der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler biomedizinische Daten einfach und sicher für Forschungszwecke nutzen können, und weltweit Zugang zu Forschungsdaten haben, während der Schutz der Daten von Patientinnen und Patienten zugleich gewährleistet bleibt.
Um eine rechtlich und technisch sichere Lösung für diese scheinbar widersprüchlichen Ziele zu finden, verwendet FeatureCloud einen innovativen Ansatz: Die gesamte potenziell unsichere Datenkommunikation wird dezentral hinter den Firewalls lokaler Krankenhäuser oder Forschungsinstitute gehalten, jegliche Analyse der Primärdaten erfolgt ausschließlich lokal durch dezentrale KI-Anwendungen hinter diesen Firewalls und nur maschinelle Lernmodelle oder Ergebnisparameter, die nicht auf sensible Patientendaten zurückgeführt werden können, werden zwischen den teilnehmenden Institutionen kommuniziert.
„Das ist die einmalige Chance, die Medizin Big-Data-fähig zu machen, ohne die Privatsphäre der Patientinnen und Patienten zu gefährden“, sagt der wissenschaftliche Koordinator Prof. Dr. Jan Baumbach vom Fachbereich Informatik der Universität Hamburg. „Für biomedizinisch Forschende eröffnet FeatureCloud eine Welt des sicheren Datenaustauschs über mehrere Institutionen hinweg was die Gewinnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und die Entwicklung von Therapien weltweit beschleunigen wird.“
„Für Patienten bedeutet dieser föderierte Ansatz, dass FeatureCloud von Grund auf die Privatsphäre wahrt, da keine personenbezogenen oder primären medizinischen Daten über einen äußeren Kommunikationskanal übertragen werden müssen“, ergänzt Dr. Christina Caroline Saak, Wissenschaftsmanagerin in der Gruppe von Prof. Baumbach.
Über den FeatureCloud App Store können maßgeschneiderte biomedizinische Datenanalyse-Apps genutzt werden. Mehrere Einführungsvideos und Tutorial-Videos erklären, wie KIs trainierbar sind und wie eine neue FeatureCloud-App entwickelt werden kann. Externe Entwicklerinnen und Entwickler können somit auch ihre eigenen Apps programmieren und im App Store der Weltgemeinschaft zur Nutzung anbieten. Dafür stellt FeatureCloud spezielle App-Vorlagen, Dokumentationen und Testwerkzeuge bereit. Sobald eine neue App veröffentlicht wurde, wird sie vom FeatureCloud-Team auf ihre Funktionalität, Sicherheit und Datenschutzkonformität geprüft und erhält eine Zertifizierung. Damit zielt FeatureCloud darauf ab, ein vertrauenswürdiges Ökosystem für föderiertes Lernen zu werden.
Weitere Informationen
Unter der Koordination von Prof. Dr. Jan Baumbach ist nun mit dem FeatureCloud App Store das zentrale Element des EU-finanzierten FeatureCloud-Projekts (featurecloud.eu) öffentlich und frei verfügbar. Das auf fünf Jahre angelegte Horizon 2020-Projekt startete im Januar 2019, wurde mit 4,6 Millionen Euro gefördert und erforscht auch rechtliche sowie ethische Aspekte des föderierten Trainings von KIs, speziell in der Medizin.
Das Konsortium besteht aus den folgenden europäischen Partnern:
- Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland (koordinierende Einrichtung)
- concentris research management gmbh, Fürstenfeldbruck, Deutschland
- Gnome Design SRL, Sfântu Gheorghe, Rumänien
- Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
- Philipps Universität Marburg, Marburg, Deutschland
- Research Institute AG & Co KG, Wien, Österreich
- SBA Research Gemeinnutzige GmbH, Wien, Österreich
- Syddansk Universitet, Odense, Dänemark
Webseiten
FeatureCloud App Store: https://featurecloud.ai
Projektwebseite: https://featurecloud.eu
Offizielle FeatureCloud Pressemitteilung: https://featurecloud.eu/wp-content/uploads/2023/06/FeatureCloud_1st-press-release_EN_20230621_FINAL.pdf
Publikationen
Flimma: a federated and privacy-aware tool for differential gene expression analysis,
O. Zolotareva, R. Nasirigerdeh, J. Matschinske, R. Torkzadehmahani, M. Bakhtiari, T. Frisch, J. Späth, D. B. Blumenthal, A. Abbasinejad, P. Tieri, G. Kaissis, D. Rückert, N. K. Wenke, M. List, and J. Baumbach,
Genome Biol 22, 338 (2021).
DOI: https://doi.org/10.1186/s13059-021-02553-2
sPLINK: a hybrid federated tool as a robust alternative to meta-analysis in genome-wide association studies,
R. Nasirigerdeh, R. Torkzadehmahani, J. Matschinske, T. Frisch, M. List, J. Späth, S. Weiss, U. Völker, E. Pitkänen, D. Heider, N. K. Wenke, G. Kaissis, D. Rueckert, T. Kacprowski, and J. Baumbach,
Genome Biol 23, 32 (2022).
DOI: https://doi.org/10.1186/s13059-021-02562-1
Finanzierung
Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 826078 finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Pressemitteilung trägt allein der Verfasser. Die Europäische Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben. Die Vervielfältigung ist unter Angabe der Quelle gestattet. |