und Naturwissenschaften
„Mittel, Ressourcen und Möglichkeiten mit Leistungsversprechen abgleichen“
19. Oktober 2022, von MIN-Dekanat

Foto: privat
Seit dem 1. August 2022 ist Prof. Dr.-Ing. Norbert Ritter neuer Dekan der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften. Im Interview spricht er über seine Motivation, die Gestaltungsmöglichkeiten in der Fakultät sowie die großen Herausforderungen.
Herr Ritter, Sie waren dreizehn Jahre lang Prodekan für Studium und Lehre an der MIN-Fakultät. Was war für Sie nun die Motivation, das Dekane-Amt zu übernehmen?
Prof. Dr.-Ing. Norbert Ritter: Wie Sie sagen, war ich seit 2009 Prodekan für Studium und Lehre, und das war ich sehr gerne. Generell habe ich neben meiner Forschung und Lehre viele Positionen in der akademischen Selbstverwaltung übernommen und habe schnell gemerkt, dass mir das auch Spaß bringt. Darüber hinaus habe ich die Erfahrung gemacht, dass es in dieser großartigen Fakultät viele Menschen gibt, mit denen man gut zusammenarbeiten kann und es zudem viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Zum Beispiel hatten wir im Bereich Studium und Lehre größere Novellen, etwa im Bachelor und Master, oder den Ausbau der digitalen Lehre während der Pandemie. Hier war die MIN-Fakultät häufig Blaupause für andere Fakultäten. Die Aussicht auf die Möglichkeit, weiter zu gestalten, voranzukommen und mit den Akteuren der Fakultät sowie darüber hinaus zusammenzuarbeiten - das ist schon sehr motivierend.
Denken Sie denn, dass Ihre langjähre Arbeit als Prodekan Sie auf das Amt vorbereitet hat?
Ja, das glaube ich wirklich. Wie bereits erwähnt, haben wir vor einigen Jahren einen Studienreformprozess durchlaufen, in welchem wir die initialen Bachelor- und Masterregelungen hinterfragt haben. Bei der Einführung wurden die Studiengänge von uns sehr stark durchreguliert, und wir haben uns gefragt, ob wirklich alles bis ins letzte Detail festgelegt werden muss. Das war ein Prozess, bei dem ich mit Lehrenden, Gremienvertreterinnen und -vertretern, den Studierendengruppen, der Politik sowie den Vizepräsidenten gesprochen habe. Es war ein komplexer Diskussionsprozess, der insgesamt zwei Jahre gedauert hat. Als Prodekan habe ich also gelernt, solche Prozesse zu koordinieren und zu moderieren. Und die Fähigkeit werde ich auch im neuen Amt gut gebrauchen können.
Sie sprachen eben die Gestaltungsmöglichkeiten in der Fakultät an, die Sie reizen. In welchen Bereichen sehen Sie diese in den kommenden Jahren?
Aktuell ist natürlich alles dominiert durch das Bestreben, die Exzellenz zu erhalten und gegebenenfalls sogar auszubauen. Neben den existierenden Exzellenzclustern, deren weitere Förderung wir natürlich anstreben, gibt es vielversprechende, neue Ansätze, insbesondere in Kooperation mit anderen Fakultäten bzw. Hochschulen. Gleichzeitig haben wir beschränkte Ressourcen und durch die Pandemie sowie den Konflikt in der Ukraine ist nicht zu erwarten, dass Füllhörner über uns ausgeschüttet werden. Es wird sich also darum drehen, wie wir Mittel, Ressourcen und Möglichkeiten mit Leistungsversprechen abgleichen. Und hier werden wir ganz transparent, offen und intensiv miteinander diskutieren müssen. Diesen mitunter schmerzhaften Prozess zu koordinieren, halte ich für eine der größten Aufgaben und Herausforderungen, die ich als neuer Dekan zu bewältigen habe. Weiter ist darauf zu achten, dass in der Fakultät neben den Exzellenzclustern sehr viel weitere erfolgreiche (Verbund-)Forschung gemacht wird, die ebenfalls zu unterstützen ist. Auch die angemessene Gestaltung der beiden MIN-Standorte Bundesstraße und Science City Hamburg Bahrenfeld ist für uns essentiell. Darüber hinaus haben sich in letzter Zeit verschiedene informatikbezogene Themen in der Wissenschaft herausgebildet, die sehr wichtig im Hinblick auf interdisziplinäre Lehre und Forschung sein werden.
Welche Themen meinen Sie konkret?
Insbesondere all das, was man als Data Science bezeichnet, also die Anwendung von digitalen Methoden, insbesondere Machine Learning, in anderen Disziplinen. Darüber hinaus Digitalisierung der Lehre, im Sinne dessen, was wir während der Pandemie gemacht haben. Als dritten Punkt sehe ich die digitale Bildung, also die Frage, wie wir Studierende aller Disziplinen sowie das Universitätspersonal in digitalen Methoden schulen können. Wir haben an der Fakultät schon vielversprechende Ansätze, etwa das House of Computing and Data Science, aber ich glaube wir müssen noch viel tun, um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Sie sehen Data Science und die Digitalisierung also als einen wichtigen Schwerpunkt, den Sie setzen wollen und der für die Fakultät in den kommenden Jahren besonders wichtig sein wird?
Natürlich habe ich als Informatiker ein gewisses Verständnis für Digitalisierung, aber der Zwang für Handlungsbedarf ist eigentlich ein anderer: Alle Disziplinen wenden mittlerweile Machine Learning oder digitale Methoden an; es handelt sich also um ein Querschnittsthema und es ist unumgänglich, dass wir das gut machen - genauso wie die Gleichstellung und Diversität. Auch hier sehe ich großen Handlungsbedarf.
Inwiefern sehen Sie hier Handlungsbedarf?
Wir haben in unserer Fakultät zu wenige Professorinnen und Wissenschaftlerinnen. Man könnte sagen, dass ist deshalb so, weil in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen der Anteil der Frauen bei den Studienabschlüssen schon geringer ist. Aber wir haben zusätzlich die Situation, dass darüber hinaus der Anteil der Professorinnen nochmal deutlich den weiblichen Absolventinnen unterliegt. Wir reden schon seit Jahren drüber, aber am Ende des Tages wird dann häufig doch wieder ein Mann berufen.
Wie wollen Sie hier ansetzen?
Ich glaube wir müssen strikter werden. Wir brauchen ein hartes Programm, das uns mehr zwingt, alle Möglichkeiten auszuloten, um geeignete Kandidatinnen - die ja da sind - zu gewinnen. Wir müssen uns beispielsweise fragen, ob die Themen wirklich so eng ausgeschrieben werden müssen, oder ob eine breitere Ausschreibung, bei der im vornherein auch mehr Kandidatinnen in Frage kommen, denkbar wären.
Wie gehen Sie diesen Prozess und die weitere Arbeit als neuer Dekan nun an?
Wie gesagt, ich habe schon einiges in anderen Ämtern lernen können und hatte natürlich den Glücksfall, dass ich in meiner langen Zeit als Prodekan quasi eine „Dekanschule“ bei Herrn Graener durchlaufen konnte. Über den Sommer haben wir versucht, so viele gemeinsame Termine wie möglich wahrzunehmen. Ich glaube die Erfahrung, der Sommer des Übergangs mit Herrn Graener und mein Vorhaben, viel miteinander zu reden, sind die wichtigen Komponenten mit denen ich die Arbeit angehen will. Auf der anderen Seite gibt es Dinge, die muss man einfach angehen. Wenn meine Promovierenden mit einer Idee zu mir kamen und diese gut war, habe ich immer gesagt „machen!“. Am Ende der Promotion hat mir ein Doktorand ein Schild geschenkt, auf dem steht „einfach machen“. Das hängt jetzt auch in meinem Dekanbüro als Erinnerung. Es gibt Dinge, die muss man einfach angehen. Vielleicht macht man sie beim ersten Mal nicht ganz richtig, aber man lernt daraus.
Zur Person
Norbert Ritter studierte an der Technischen Universität Kaiserslautern Informatik, erwarb 1997 dort den Grad eines Dr.-Ing. und arbeitete von 1998 bis 2002 als Assistenzprofessor am gleichnamigen Fachbereich. Im April 2002 wechselte er als außerplanmäßiger Professor an den Fachbereich Informatik der Universität Hamburg und wurde 2005 ordentlicher Professor. Sein Forschungsbiet liegt im Bereich Datenbanken und Informationssysteme. Seit 2009 war Norbert Ritter Prodekan für Studium und Lehre der MIN-Fakultät. Von 2016 bis 2022 hat er als Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses für Lehrerbildung die Reform der Lehramtsstudiengänge an Hamburger Hochschulen koordiniert. Von 2018 bis 2022 war Norbert Ritter Vorsitzender des Fakultätentags Informatik e.V.