und Naturwissenschaften
„Die Motivation kommt für mich aus den Anwendungen“
19. April 2022, von MIN-Dekanat

Foto: UHH/Esfandiari
Prof. Dr. Hendrik Ranocha hat die W1-Professur „Mathematik“ der Universität Hamburg angenommen und arbeitet seit dem 1. März am Fachbereich Mathematik der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaft. Er forscht zu Numerischen Verfahren, die zum Beispiel in der Autoindustrie Anwendung finden.
Herr Ranocha, Sie haben zunächst angefangen Physik zu studieren, haben dann ein Jahr später noch ein Mathematikstudium begonnen. Warum?
Prof. Dr. Hendrik Ranocha: Im Physikstudium habe ich schnell gemerkt, dass ich mehr Mathematik brauche, als es im Physikstudium gelehrt wird. Als es um Numerische Verfahren und Simulation ging, wollte ich diese nicht nur anwenden können, sondern auch verstehen und weiterentwickeln. Und das war ein Punkt, der in der Physik etwas zu kurz gekommen war. Deshalb habe ich angefangen, Mathematik zu studieren.
Und mit den Numerischen Verfahren arbeiten Sie auch heute noch?
Genau, das hat sich nicht verändert. Die Motivation kommt bei mir in vielen Bereichen noch aus der Physik oder den Ingenieurswissenschaften. Aber mich interessiert vor allem, wie die Mathematik und insbesondere Numerische Verfahren entwickelt werden können, die in der Physik, in der Chemie, Biologie oder den Ingenieurswissenschaften angewendet werden.
Welche Anwendungen meinen Sie?
Im Wesentlichen beschäftige ich mich mit numerischen Verfahren für Evolutionsgleichungen, also für zeitabhängige Probleme. Das können zum Beispiel Strömungen von Flüssigkeiten oder Gasen sein, zum Beispiel die Luftströmung um Autos oder Flugzeuge herum - oder Strömungen von Partikeln des Sonnenwinds, beispielsweise um Planeten oder Kometen. Dabei versuche ich, Strukturen zu finden und in numerischen Verfahren umzusetzen, die bei der Modellierung solcher Strömungen wichtig sind.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen wir zum Beispiel eine Luftströmung um ein Fahrzeug herum: Dabei spielt die Dichte des Gases eine Rolle. Diese kann aus physikalischen Gründen natürlich nicht negativ werden. Solche Voraussetzungen sind wichtige Nebenbedingungen, die in numerischen Verfahren berücksichtigt werden müssen, denn sonst würden die Gleichungen ihren Sinn verlieren. Ich beschäftige mich mit der Frage, welche solcher Nebenbedingungen bei den Numerischen Verfahren eine Rolle spielen und welchen Nutzen sie bringen. Im Idealfall erzielen wir so am Ende mit weniger Rechenressourcen bessere Ergebnisse.
Das heißt, ihre Forschung ist sehr anwendungsorientiert?
Die Motivation kommt für mich auf jeden Fall aus den Anwendungen. Diese würde ich aber eher bei Industriepartnern sehen, die diese in der ingenieurswissenschaftlichen- und industriellen Praxis einsetzen. Kolleginnen und Kollegen aus Saudi-Arabien, mit denen ich schon zusammengearbeitet habe, haben Kooperationsprojekte mit McLaren zur Simulation von Luftströmungen um Formel 1-Fahrzeuge. Oder auch mit Boeing zur Simulation von Strömungen um die Flugzeuge. Das heißt ich arbeite mit den Leuten zusammen, die dann mit den direkten Anwendern zusammenarbeiten. Im Gesamtpaket der numerischen Mathematik reicht meine Forschung von Numerischer Grundlagenforschung bis hin zu den endgültigen Anwendungen.
Werden Sie an diesen Forschungsprojekten weiterarbeiten?
Es wird natürlich darum gehen, die grundlegenden Ideen, die in den vergangenen Jahren in diesem Forschungsgebiet entwickelt wurden, auch noch weiterzuführen. Mittelfristig sehe ich es für mich auch als Ziel, neue Ideen mit an Bord zu bringen und insgesamt das Forschungsgebiet voranzutreiben. Natürlich kann man nicht garantieren, dass alles, was man sich vornimmt, auch funktioniert. Aber ich denke mit dem Start hier in Hamburg haben wir gute Voraussetzungen geschaffen.
Haben Sie schon bestimmte Ideen, die Sie gerne umsetzen würden?
Eine Sache, an der ich mit meinem Team in nächster Zeit arbeiten werde, geht in die Richtung der Effizienzsteigerung von Numerischen Verfahren. Wenn man Strömungen um Flug- oder Fahrzeuge simuliert, kann man das nicht auf einem Rechner zu Hause machen. Dafür werden Großrechner benötigt. Diese Arbeit ist auch mit großen Personal- und Rechenkosten verbunden. Wir möchten, dass diese Verfahren insgesamt robuster werden und zügig durchrechnen.
Das heißt, Sie benötigen für Ihre Forschung hauptsächlich Großrechner?
Arbeitsgeräte sind für mich zunächst Kugelschreiber und Papier für den theoretischen Teil. Ich benötige auch Computer mit entsprechender Rechenleistung, denn die Softwareentwicklung ist für mich ein integraler Bestandteil der Forschung. Für die konkreten Anwendungen brauchen wir dann Großrechner.
Worauf werden Sie sich in der Lehre konzentrieren?
Durch meinen Hintergrund in der Physik und Mathematik habe ich immer Spaß daran, wenn Studierende Anwendungen verstehen wollen. Was ich ihnen gerne näherbringen möchte, ist, wie viel von der Welt man auch in den Computer stecken und simulieren kann. Außerdem möchte ich ihnen beibringen, wie man physikalisch-mathematisch an diese Themen herangehen und Problemstellungen lösen kann.
Sie haben unter anderem in Braunschweig und Münster gewohnt und gearbeitet. Worauf freuen Sie sich in Hamburg besonders?
Hamburg ist als Stadt sehr weltoffen, sehr lebendig und gleichzeitig hat jedes Stadtviertel seinen eigenen Charme. Obwohl Hamburg im Gegensatz zu Braunschweig und Münster eine Großstadt ist, gibt es sehr viele schöne grüne Ecken und gleichzeitig wird sehr viel geboten.