und Naturwissenschaften
Manche mögen’s kalt:Klimawandel bedroht Tiefsee-Spezialisten mit geringer Verbreitung
7. April 2022, von MIN-Dekanat

Foto: Karlotta Kürzel
Um besser vorhersagen zu können, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Verbreitung von Arten hat, ist es wichtig, die Anforderungen der Tiere an die Umwelt zu kennen. Forschende der Universität Hamburg haben deshalb die Eigenschaften des Lebensraums von 30 Flohkrebsarten in Tiefseegebieten rund um Island untersucht. In der kürzlich in der Fachzeitschrift Ecology and Evolution veröffentlichten Studie konnten die Forschenden zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Verbreitungsgröße einer Flohkrebsart und ihrer Ansprüche an den Lebensraum gibt.
Welche Auswirkungen haben Klimaveränderungen auf die Artenvielfalt am Meeresboden der Tiefsee? Um diese Frage zu beantworten, untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Anne-Nina Lörz vom Fachbereich Biologie der Universität Hamburg die Eigenschaften des Lebensraums und die ökologische Nische von 30 Flohkrebsarten in Tiefseegebieten rund um Island. Denn das Verständnis der ökologischen Anforderungen einer Art hilft den Forschenden dabei, Vorhersagen zu möglichen Auswirkungen des Klimawandels zu machen.
Die ökologische Nische beschreibt, welche Ansprüche ein Lebewesen an die Umwelt hat. Dazu gehören Fressfeinde, Beutetiere, aber auch Temperatur und der Salzgehalt, die ein Lebewesen zum Überleben und Fortpflanzen braucht. Für jede Art lassen sich ökologische Nischen definieren, wenn die Ansprüche, die eine Art an die Umwelt hat, bekannt sind. Man spricht von Generalisten, wenn eine Art in der Lage ist, besser mit schwankenden Umweltbedingungen umzugehen und so an verschiedenen Standorten überleben kann. Durch diesen Umstand sind Generalisten auch weit verbreitet und können an verschiedenen Orten gefunden werden. Spezialisten dagegen haben größere Probleme mit einer Veränderung der Umwelt und sind daher auch stärker vom Aussterben bedroht.
Insgesamt hat das Forschungsteam die ökologische Nischen für 30 Amphipodenarten aus dem Nordatlantik anhand neun Parameter analysiert: Salzgehalt, ph-Wert, Temperatur, Eisen-, Stickstoff-, Sauerstoff-, Nitratgehalt, Strömungsgeschwindigkeit und Wassertiefe. Wählerische Arten, zum Beispiel in Bezug auf Temperatur oder Salzgehalt, waren an nur sehr wenigen Standorten zu finden, wohingegen anspruchslose Generalisten viel häufiger vorkamen und eine weitere Verbreitung aufzeigten.
Verändern sich wichtige Umweltparameter wie Wassertemperatur, Salz- oder Nitratgehalt im Meerwasser, ändern sich auch die Lebensbedingungen und Arten müssen entweder abwandern oder sich mit ihrer ökologischen Nische anpassen. Gerade viele Tiefseearten mit geringer Verbreitung entwickeln sich aber nur langsam, sind nicht in der Lage sich anzupassen oder abzuwandern und sind deshalb verstärkt vom Klimawandel bedroht. Allerdings sind viele Teile der Tiefsee noch stark untererforscht und die wahre Verbreitung der meisten Arten ist daher noch unbekannt. Es werden weitere Daten benötigt, um diese Hypothese zu untersuchen.
Originalpublikation
Anne-Nina Lörz, Jens Oldeland, Stefanie Kaiser (2022): Niche breadth and biodiversity change derived from marine Amphipoda species off Iceland. Ecology and Evolution, Volume 12, Issue 4.