und Naturwissenschaften
TExt: Uniklinik RWTH Aachen, red.
Foto: pixabay
16. Dezember 2020, von MIN-Dekanat
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Wenn es um die Gesundheit geht, verdient der Darm ein besonderes Augenmerk. Denn im Darm befindet sich ein Großteil der Immunzellen im gesamten Körper, die sehr eng mit einer hohen Vielfalt an Mikroorganismen (die Darmmikrobiota) interagieren. Dies gilt nicht nur für den Menschen, sondern auch für viele Tiere. Ein Forschungsteam mit Beteiligung des Fachbereichs Chemie der Universität Hamburg hat nun erstmals ausführlich das Darmmikrobiom von Schweinen mittels Kultivierung und Metagenomik beschrieben. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Im Darm von Säugetieren sind ein bis zwei Drittel der prokaryotischen Vielfalt (Lebewesen ohne Zellkern) immer noch nicht beschrieben. Dabei ist das Wissen über das Mikrobiom vor allem bei den Tierarten wichtig, die für die biomedizinische Forschung und die Landwirtschaft eine Rolle spielen. Um diese Wissenslücke zu schließen, hat ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Clavel, der die Arbeitsgruppe Funktionelle Mikrobiomforschung am Institut für Medizinische Mikrobiologie an der Uniklinik RWTH Aachen leitet, die Darmmikrobiota von Schweinen analysiert und dabei viele neuartige Bakteriengruppen (Taxa) – und damit auch die Funktionen dieser Bakterien – kultiviert und beschrieben.
Die entstandene Sammlung enthält 110 Arten in 40 Familien und neun Bakterienstämmen (Phyla). Sie bietet taxonomische Beschreibungen für 22 neuartige Arten und 16 Gattungen. Eine Meta-Analyse von 16S rRNA-Amplikon-Sequenzdaten und metagenom-assemblierten Genomen zeigt weit verbreitete und schweinespezifische Spezies innerhalb von Lactobacillus, Streptococcus, Clostridium, Desulfovibrio, Enterococcus, Fusobacterium sowie mehrere neue Gattungen. Zu den potenziell wichtigen Funktionen, die in diesen Organismen entdeckt wurden, gehören eine neue Fucosyltransferase, die interessante biotechnologische Perspektiven zur Erstellung synthetischer Oligosacchariden eröffnet, und weit verbreitete Gencluster für die Biosynthese von Peptiden mit potentiellen antimikrobiellen Eigenschaften.
Prof. Dr. Sascha Rohn, bis vor Kurzem Mitglied des Instituts für Lebensmittelchemie am Fachbereich Chemie der Universität Hamburg, war bei der analytischen Charakterisierung beteiligt. Für die 98 Bakterienstämme, die in Deutschland isoliert und kultiviert wurden, analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Darmproben von 19 Schweinen.
Die öffentliche Sammlung dient nun als Grundlage für experimentelle Studien, die darauf abzielen, die Ökologie der Darmmikroben zu verstehen sowie die Mikroben-Wirt-Interaktionen mithilfe von in vitro- und in vivo-Systemen zu untersuchen. Darüber hinaus erforscht das Team die Verwendung synthetischer Isolatengemeinschaften zur Verbesserung der Tiergesundheit. Dieses Therapieverfahren kann in einer auf den Menschen angepassten Form beispielsweise als Alternative zur Fäzes-Transplantation verwendet werden.
Originalpublikation
Wylensek, D., Hitch, T.C.A., Riedel, T. et al. A collection of bacterial isolates from the pig intestine reveals functional and taxonomic diversity. Nat Commun 11, 6389 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-19929-w
Die Stammsammlung, genannt „Pig intestinal bacterial collection“ (Schweinedarmbakteriensammlung) (PiBAC), ist auf www.dsmz.de/pibac zugänglich.
TExt: Uniklinik RWTH Aachen, red.