und Naturwissenschaften
Prostatakrebs: Studie untersucht Nebenwirkungen der Hormontherapie
6. Juli 2020, von Maria Latos

Foto: Holtfrerich/Diekhof
Die Langzeitbehandlung von Prostatakrebs mit der Androgendeprivationstherapie (ADT) hat psychosoziale Folgen für die Patienten. Sie führt unter anderem zu einer Abnahme der Lebensqualität und vermehrt zu Depressionen. Das zeigt eine Studie von Forschenden der Universität Hamburg und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, die im Fachmagazin ‚Psycho-Oncology‘ erschienen ist.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg und der Martini-Klinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben untersucht, inwiefern die Androgendeprivationstherapie (ADT) bei Prostatakrebs wichtige kognitive und emotionale Prozesse beeinflusst. „In früheren Studien berichteten einige Patienten von negativen Begleiterscheinungen bei der Behandlung, wie dem Gefühl einer Entmännlichung, Depressionen und deutlichen kognitiven Einschränkungen im Alltag“, sagt Dr. Sarah Holtfrerich, Erstautorin der Studie, die in der Arbeitsgruppe von Juniorprofessorin Dr. Esther Diekhof am Fachbereich Biologie forscht. „Wir wollten untersuchen, ob diese Aspekte tatsächlich von der ADT beeinflusst wurden oder andere Ursachen hatten.“
Beim Wachstum von Prostatazellen spielen männliche Sexualhormone, die Androgene, eine wichtige Rolle. Beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom wird die Bildung, Ausschüttung und Wirkung der Androgene mithilfe der Androgendeprivationstherapie (ADT) gehemmt, der Testosteronspiegel im Blut so gesenkt und damit das Wachstum des Karzinoms reduziert.
Für die Studie wurden insgesamt 68 Probanden zwischen 50 und 79 Jahren in drei Testgruppen eingeteilt: 24 Prostatakrebs-Patienten, die mindestens 15 Monate eine ADT bekamen, 22 Prostatakrebs-Patienten ohne Hormonbehandlung und 22 gesunde Männer als Kontrollgruppe. Alle teilnehmenden Männer hatten einen ähnlichen Bildungsstand.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten verschiedene Intelligenz- und Verhaltenstest durch, unter anderem den Blockdesign-Test. Dabei müssen die Testteilnehmer mit Hilfe von 16 farbigen Würfeln eine Reihe von vorgegebenen Mustern nachbilden. „Langzeitpatienten der ADT zeigten im Blockdesign-Test eine verminderte visuell-räumliche Leistung“, erklärt Juniorprofessorin Dr. Esther Diekhof. „Die ADT beeinträchtigt demnach die Auge-Hand-Koordination. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit unserer Hypothese, dass abnehmende Testosteronkonzentrationen bei Männern kognitive Defizite verursachen können.“ Weitere Tests zeigen, dass ein herbeigeführter Testosteronmangel Entscheidungsmuster verändert. Darüber hinaus berichteten die Patienten, dass sie unter Depressionen leiden.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Testosteron bei Männern, auch in höherem Alter, eine integrale Rolle beim Erhalt der kognitiven Fähigkeiten spielt und auch für die psychische Gesundheit von Bedeutung sein dürfte. „Trotz dieser Nebenwirkungen überwiegen die positiven Behandlungseffekte der ADT deutlich“, sagt Dr. Holtfrerich. „Es wäre jedoch wünschenswert, wenn die behandelnden Ärztinnen und Ärzte dies im Hinterkopf behalten würden und den Patienten zusätzlich zur ADT psychologische Hilfe anbieten könnten, um die von uns gezeigten Nebenwirkungen zur verringern.“
Originalpublikation
Holtfrerich, Sarah Katharina Charlotte/ Knipper, Sophie/ Purwins, Janna/ Castens, Jasmin/ Beyer, Burkhard/ Schlomm, Thorsten/ Diekhof, Esther Kristina: The impact of long-term androgen deprivation therapy on cognitive function and socio-economic decision-making in prostate cancer patients. Link: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/pon.5442 DOI: 10.1002/pon.5442