und Naturwissenschaften
Gasmotor verbrennt Kohlenmonoxid und produziert Wasserstoff
7. März 2019, von MIN-Dekanat

Foto: pixabay
Dr. Marie Charlotte Schölmerich von der Universität Hamburg und Prof. Volker Müller von der Goethe-Universität Frankfurt haben die vielleicht älteste Form der Zellatmung auf der Erde entdeckt. Sie konnten hitzeliebende Bakterien dazu bringen, das für viele Organismen giftige Kohlenmonoxid als Energiequelle zu verwenden. Die Ergebnisse sind aus Dr. Schölmerichs Doktorarbeit an der Goethe-Universität Frankfurt hervorgegangen und wurden in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Seit dem vergangenen Jahr führt Dr. Schölmerich ihre Forschung in der Mikrobiologie und Biotechnologie der Universität Hamburg fort.
Am Anfang war die Erde wüst und leer, oder wissenschaftlich gesagt: Bevor die ersten Lebewesen entstanden war es sehr heiß, es gab keinen Sauerstoff zum Atmen, dafür aber eine Atmosphäre mit Gasen wie Wasserstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Stickstoff. Aus diesen einfachen Stoffen haben sich unter harschen Bedingungen erste Lebensformen entwickelt. Aber wie gewannen sie die Energie, um aus diesen Bausteinen langkettige Moleküle wie Proteine, Fette oder Kohlenhydrate zu synthetisieren?
„Kohlenmonoxid ist das energiereichste Gas in diesem Gemisch und daher wurde schon lange vermutet, dass die ersten Bakterien es verwerteten, um wachsen zu können“, erklärt Prof. Volker Müller aus der Abteilung Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik von der Goethe-Universität. Seiner Doktorandin Marie Schölmerich schlug er deshalb vor, das hitzeliebende Bakterium Thermoanaerobacter kivui zu untersuchen. „Es erfüllt alle Voraussetzungen, sich an die primitiven Lebensbedingungen dieser Zeit anzupassen: Bei 70 Grad wächst es optimal, ernährt sich nur von Gasen und kann Zellmaterial allein aus Kohlendioxid und Stickstoff aufbauen. Nur leider war es bisher noch niemanden gelungen, das Bakterium an Kohlenmonoxid zu gewöhnen“, so Volker Müller.
Marie Schölmerich ist es gelungen, das Bakterium auf die zunächst unverdauliche Kost umzustellen. Zunächst mischte sie dem Gas nur ganz wenig Kohlenmonoxid bei und steigerte dann allmählich den Anteil, bis das Bakterium nach mehreren Monaten unter einer hundertprozentigen Kohlenmonoxid-Atmosphäre wuchs. So konnte sie untersuchen, wie ein altertümlicher Organismus aus Kohlenmonoxid Energie gewinnt.

Wie das Team in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichtet, wird Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid oxidiert und die dabei freiwerdenden Elektronen durchlaufen eine membrangebundene Turbine. Diese überträgt die Elektronen auf Protonen, wodurch gasförmiger Wasserstoff entsteht. Die Turbine ist ein Enzym (Hydrogenase) in der Zellmembran, das nicht nur gasförmigen Wasserstoff produziert, sondern die Energie der bergab-fließenden Elektronen auch nutzt, um Protonen und Natriumionen aus dem Zellinneren bergauf an die Zelloberfläche zu pumpen – in etwa so wie Wasser in einen höher gelegenen See gepumpt wird. Die zelluläre Energiewährung Adenosintriphosphat (ATP) entsteht, indem diese Protonen durch eine andere Turbine, die ATP-Synthase, bergab fließen.
Der Wasserstoff, der bei diesem Urtyp der Zellatmung aus Kohlenmonoxid entstand, könnte wiederum von anderen Bakterien oder Archaeen als Energiequelle verwendet worden sein. „Bis heute hat sich der Stoffwechsel auf der Basis von Wasserstoff in wenigen Bakterien und Archaeen gehalten“, erklärt Marie Schölmerich, „allerdings haben diese Organismen inzwischen auch gelernt, wohlschmeckendere Nährstoffe zu verwerten“.
Text: Goethe-Universität Frankfurt/Dr. Marie Schölmerich
Originalveröffentlichung
Schölmerich, M.C., Müller, V. (2019). Energy conservation by a hydrogenase-dependent chemiosmotic mechanism in an ancient metabolic pathway. Proceedings of the National Academy of Sciences U.S.A., in press
Dr. Marie Schölmerichs Forschung an der Universität Hamburg
An der Universität Hamburg erforscht Dr. Marie Schölmerich nun artifzielle Photosynthese mit diesen Organismen. Hierfür kombiniert sie zwei Dinge, die unterschiedlicher nicht sein könnten: die urtümlichen Kohlendioxid-fixierenden Mikroorganismen und Nanopartikel zur Nutzung von Lichtenergie. In diesem biologisch-chemischen Bakterien-Nanopartikel-System wird dessen Entstehung und Mechanismus nun näher beleuchtet.