und Naturwissenschaften
Bunte Bilder aus der BlackboxNeue Messmethode veranschaulicht Sauerstoff- und Kohlendioxid-Flüsse rund um Pflanzenwurzeln
4. Januar 2018, von MIN-Dekanat

Foto: UHH/MIN/Maike Nicolai
Biologinnen und Biologen der Universität Hamburg haben erstmals ein neues Untersuchungsverfahren angewendet, das die Flüsse von Sauerstoff und Kohlendioxid an Pflanzenwurzeln abbildet. Sensorfolien zeigen den Stoffaustausch und veranschaulichen, wie Pflanzen und im Boden lebende Mikroorganismen voneinander profitieren. Mit genauen Kenntnissen über die zu Grunde liegenden Prozesse können Forschende besser abschätzen, wie der Klimawandel Ökosysteme verändert. Die Messtechnik und erste Ergebnisse einer Studie an der Wasserlobelie Lobelia dortmanna sind in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „New Phytologist“ beschrieben.
Dass Pflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen, im Zuge der Photosynthese in Biomasse umwandeln und Sauerstoff produzieren, ist allgemein bekannt. Den Gasaustausch an Blättern zu erfassen, ist für Forschende keine besondere Herausforderung. Doch erst jetzt gelingt der Blick in den Boden, wo Prozesse ablaufen, die letztlich auch darüber bestimmen, wie Pflanzen mit dem Klimawandel umgehen. „Der Boden war bisher im Grunde eine Black Box“, erklärt Dr. Peter Müller aus dem Fachbereich Biologie der Universität Hamburg. „Nur wenig war darüber bekannt, wie Pflanzen über ihre Wurzeln Sauerstoff und Kohlendioxid aufnehmen oder abgeben. Dabei wird an den Wurzeln entschieden, wie sich diese Stoffumsätze insgesamt auf die Umgebung auswirken.“
Gemeinsam mit zwei Entwicklern der PreSens Precision Sensing GmbH Regensburg sowie Dr. Ketil Koop-Jakobsen vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, setzen Nikola Lenzewski, Dr. Peter Müller und Prof. Dr. Kai Jensen vom Biozentrum Klein Flottbek erstmals ein neues Untersuchungsverfahren ein. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „New Phytologist“ beschreiben sie die Technik und erste Ergebnisse. Für ihre Untersuchungen nutzten sie die Wasserlobelie Lobelia dortmanna, eine besonders gut erforschte Modell-Art, die in nährstoffarmen Seen vorkommt.
Unscheinbar wirkende Sensorfolien ermöglichen den genauen Blick in die Black Box. Sie wandeln die wechselnden Konzentrationen von Sauerstoff und Kohlendioxid in optische Signale um. Die Folien werden so in Pflanzcontainer eingebracht, dass sie die zu untersuchenden Wurzeln berühren und Gasflüsse zwischen Wurzeln und Sediment Pixel für Pixel dokumentieren. Eine Spezialkamera zeichnet die Signale über einen längeren Zeitraum kontinuierlich auf und erzeugt so Bilder der Sauerstoff- und Kohlendioxidverteilung im Wurzelraum. „Für Sauerstoff sind diese Folien schon länger in Gebrauch. Die Entwicklung von Sensorfolien zur Kohlendioxid-Bildgebung befindet sich allerdings noch in den Anfängen, und in Kombination wurden Sauerstoff- und Kohlendioxidflüsse im Wurzelraum bis jetzt noch nicht erfasst“, betont Dr. Peter Müller.
Anhand der Datenreihen und zweidimensionalen, farbigen Abbildungen lassen sich Stoff-Flüsse und Interaktionen zwischen den Pflanzen und Mikroorganismen ablesen. „Die Pflanzen geben über ihre Wurzeln Sauerstoff an den Boden ab, um Mikroorganismen zu stimulieren. Die Mikroorganismen produzieren Kohlendioxid, von dem wiederum die Pflanzen profitieren“, fasst Doktorandin Nikola Lenzewski zusammen. „Dank der höheren mikrobiellen Aktivität können sie ihren Bedarf an Kohlenstoff für die Photosynthese besser decken. Dies ist wichtig, weil das Wasser, in dem sie leben, äußerst nährstoff- und kohlendioxidarm ist, und sie als Wasserpflanzen kein Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen.“
Von den Interaktionen zwischen Pflanzen und Mikroorganismen hänge auch ab, inwieweit Moore oder Salzmarschen als Kohlenstoffsenke Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern können, urteilt Dr. Peter Müller. „Wenn Pflanzen durch steigende Kohlendioxid-Konzentrationen in der Luft, Temperaturanstieg oder etwa vermehrte Niederschläge beeinträchtigt werden, trifft dies auch die Mikroorganismen im Boden. Ihre Reaktionen beeinflussen wiederum das gesamte Ökosystem und dessen Funktionen.“
In ihren nächsten Untersuchungen konzentrieren sich die Hamburger Biologinnen und Biologen auf Schlickgräser aus den norddeutschen Salzmarschen. Außerdem soll die neue Methode direkt im Gelände getestet werden. „So erfahren wir mehr über die Prozesse im Boden und ihre Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf und können Veränderungen im Kohlenstoff-Budget besser abschätzen“, kündigt Prof. Kai Jensen an.
Link zur Original-Publikation:
Nikola Lenzewski, Peter Mueller, Robert Johannes Meier, Gregor Liebsch, Kai Jensen, Ketil Koop-Jakobsen (2017):
Dynamics of oxygen and carbon dioxide in rhizospheres of Lobelia dortmanna – a planar optode study of belowground gas exchange between plants and sediment