und Naturwissenschaften
Gestein vom Asteroidenkrater erzählt vom ersten Tag des Dinosauriersterbens
10. September 2019, von MIN-Dekanat
Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Prof. Dr. Ulrich Riller der Universität Hamburg hat untersucht, was in den Stunden nach dem Asteroiden-Einschlag passierte, der vor der Yucatán-Halbinsel in Mexiko niederging und ein Massensterben auslöste, dem letztlich auch die Dinosaurier zum Opfer fielen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America veröffentlicht.
Als der Asteroid in der Nähe der heutigen Küstenstadt Chicxulub auf den Planeten einschlug, löste dies Waldbrände und Tsunamis aus. Gleichzeitig wurde durch den Einschlag so viel Schwefel in die Atmosphäre gesprengt, dass die Sonne komplett verdunkelt wurde. Die Folge: Ein globaler Temperatursturz, der ein gigantisches Artensterben auslöste. Das ist zumindest das Szenario, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bisher angenommen haben.
Eine Studie unter der Leitung von Forscherinnen und Forschern der University of Texas und mit Beteiligung von Wissenschaftlern des Fachbereichs Geowissenschaften der Universität Hamburg hat dieses Szenario nun bestätigt. Die Belege lieferte der Krater selbst: In Bohrproben des Gesteins fand das Forschungsteam verschiedenste Hinweise wie beispielsweise Holzkohlestücke und Gesteinsbrocken, welche die genannte Hypothese unterstützen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schätzen, dass der Asteroidenschlag eine Stärke vergleichbar der von etwa zehn Milliarden Hiroshima-Bomben hatte. Als Folge des Einschlags wurde ein gigantischer Tsunami ausgelöst sowie Bäume und Pflanzen entzündet, die Tausende von Kilometern entfernt waren. Innerhalb eines Tages lagerte sich im Krater Gestein und anderes Material mit einer Mächtigkeit von etwa 130 Meter ab. Diese riesigen Ablagerungen zeichneten auf, was in den Minuten und Stunden nach dem Einschlag in und um den Krater herum geschah. Der größte Teil des Materials, das den Krater innerhalb weniger Stunden nach dem Einschlag füllte, wurde an der Einschlagstelle gebildet oder durch Meerwasser mitgerissen, das aus dem umliegenden Golf von Mexiko in den Chicxulub-Krater zurückströmte. Im Inneren des Kraters fanden die Forscherinnen und Forscher neben Holzkohle auch einen chemischen Biomarker und Anzeichen von Ablagerungen, die zurücklaufendes Wasser belegt. Dies deutet darauf hin, dass die verkohlte Vegetation mit dem zurückströmenden Wasser des Tsunamis in den Krater gezogen wurde.
Eines der wichtigsten Ergebnisse ergibt sich aus dem, was bei den Kernproben fehlt: Zwar ist das Gebiet um den Einschlagkrater voller schwefelreicher Gesteine – der Gesteinskern selbst enthält jedoch keine schwefelhaltigen Minerale. Dieser Befund stützt die Hypothese, dass der Asteroideneinschlag die am Ort vorhandenen schwefelhaltigen Minerale verdampfte und in die Atmosphäre freisetzte. Diese toxische Atmosphäre hatte verheerende Auswirkungen auf das Erdklima, indem sie das Sonnenlicht vom Planeten weg reflektierte und eine globale Abkühlung verursachte. Die Forscherinnen und Forscher schätzen, dass durch den Meteoriteneinschlag mindestens 325 Milliarden Tonnen Schwefel freigesetzt wurden. Das ist etwa vier Größenordnungen höher als die Menge an Schwefel, die während des Ausbruchs des Vulkans Krakatoa im Jahr 1883 in die Atmosphäre entwich und das Erdklima fünf Jahre lang um durchschnittlich ein Grad Celsius abkühlte. Obwohl die Auswirkungen des Asteroiden-Einschlags regional ein Massensterben des Lebens verursachten, war es der globale Klimawandel, der ein Massensterben verursachte und die Dinosaurier sowie etwa 75 Prozent der damaligen Arten auf dem Planeten vernichtete.
Die Studie baut auf früheren Arbeiten auf, die beschrieben, wie sich der Krater bildete und wie schnell sich das Leben am Einschlagsort erholte. Ein internationales Team von mehr als zwei Dutzend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern war an dieser Studie beteiligt.
Original-Publikation
The First Day of the Cenozoic,
S. P. S. Gulick, T. Bralower, J. Ormö, B. Hall, K. Grice, B. Schaefer, S. Lyons, K. H. Freeman, J. Morgan, N. Artemieva, P. Kaskes, S. J. de Graaff, M. Whalen, G. Collins, S. M. Tikoo, C. Verhagen, G. L. Christeson, P. Claeys, M. Coolen, S. Goderis, K. Goto, R. Grieve, N. McCal, G. Osinski, A. Rae, U. Riller, J. Smit, V. Vajda, A. Wittmann, and the Expedition 364 Scientists,
PNAS, September 9 (2019).
DOI: doi.org/10.1073/pnas.1909479116
Zur Person
Prof. Ulrich Riller hat Geologie an der Universität Tübingen studiert, in Kanada an der Universität Toronto promoviert und war anschließend als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Gießen und am GeoForschungsZentrum Potsdam tätig. Es folgten Professuren an der Humboldt Universität in Berlin und an der McMaster Universität in Hamilton, Canada. Seit 2012 forscht er an der Universität Hamburg an großen Meteoritenkratern, der Bildung von Lagerstätten und an der Entstehung der Anden.